Abfindung, Fünftelregelung und Steuern

Rüdiger Happe
Zuletzt aktualisiert:
19. Februar 2024
Lesedauer:
7 Minuten

Bei einer Abfindung verdient sich das Finanzamt regelmäßig eine goldene Nase. Zwar ist eine Abfindung frei von Abzügen der Sozialversicherungen wie Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung. Aber die Abfindung ist immer eine Teilkompensation für in absehbarer Zukunft entgehenden Lohn, wird aber im Gegensatz zum Arbeitslohn sehr häufig als Einmalzahlung überwiesen. Da das Finanzamt nicht zwischen Abfindung und "normalem" Arbeitslohn unterscheidet, unterstellt es eine regelmäßige monatliche Zahlung in dieser Höhe, was zu erheblichen Lohnsteuerabzügen führt.

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Abfindung: Welche Regeln gibt es und was muss ich beachten?

Abfindungen sind finanzielle Leistungen, die Arbeitnehmer:innen als Ausgleich für die Nachteile erhalten, die mit der Auflösung oder Änderung des Arbeitsverhältnisses verbunden sind. Häufigste Gründe sind der Verlust des Arbeitsplatzes oder eine zeitliche Reduzierung der Wochenarbeitszeit. Ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Zufluss der Abfindung und Beendigung des Dienstverhältnisses ist nicht erforderlich. Ein erhebliches zeitliches Auseinanderfallen der beiden Ereignisse kann jedoch den sachlichen Zusammenhang infrage stellen. Abfindungen können in einer Summe, in Teilbeträgen oder in fortlaufenden Beträgen ausgezahlt werden. Oft ist dies individuelle Verhandlungssachen zwischen Ihnen und dem Arbeitgeber.

Zahlungen zur Abgeltung vertraglicher Ansprüche (z. B. rückständiger Arbeitslohn), die der:die Arbeitnehmer:in aus dem Dienstverhältnis bis zum Zeitpunkt der Auflösung erlangt hat, sind nicht Teil der Abfindung. Im Regelfall kann davon ausgegangen werden, dass bei Zahlung einer Abfindung der Arbeitgeber die Auflösung veranlasst hat.

Gibt es einen Anspruch auf eine Abfindung?

Einen generellen Rechtsanspruch auf eine Abfindung gibt es in Deutschland nicht. Allerdings sind viele Arbeitgeber bereit, im Rahmen eines Aufhebungsvertrags eine Abfindung zu zahlen, wenn sie sich dadurch einen - häufig langwierigen und in jedem Fall teuren - Gang vor das Arbeitsgericht ersparen können. Darüber hinaus gibt es auch zahlreiche Fälle, in denen Arbeitnehmer einen echten Rechtsanspruch auf eine Abfindung haben. Solche anspruchsbegründeten Abfindungsregelungen gibt es beispielsweise in folgenden Fällen:

  • Vereinbarung in Tarifverträgen
  • Mit dem Betriebsrat vereinbarte Sozialpläne
  • Entsprechend individuelle Vereinbarungen im Arbeitsvertrag (üblich v.a. bei Führungspositionen, z. B. Geschäftsführern)

In Verhandlungen um einen Aufhebungsvertrag "tauschen" Sie gewissermaßen den Bestandsschutz Ihres Arbeitsverhältnisses gegen eine Abfindung ein. Dabei sind Ihre Chancen, eine Abfindung in entsprechender Höhe durchzusetzen, umso besser, je höher der Bestandsschutz ihres Arbeitsverhältnisses ist. Die Faktoren für die juristische Bewertung des Bestandsschutzes sind sehr vielfältig, zu Ihnen gehören typischerweise die Dauer der Betriebszugehörigkeit, die individuelle Situation/Position im Betrieb (z.B. Betriebsratszugehörigkeit), die private Situation (Alter, Kinder, Behinderungen etc.), der Grund für die (drohende) Kündigung (z.B. Wegfall des Arbeitsplatzes) und viele andere. Eine detaillierte, schematische Einordnung ist hier nicht allgemeingültig möglich, im Grundsatz aber gilt: Je höher der Bestandsschutz Ihres Arbeitsverhältnisses, umso eher wird der Arbeitgeber bereit sein, über eine entsprechende Abfindung zu verhandeln.

Allgemeines zur Abfindung

Abfindungen sind generell steuerpflichtig - Steuerfreibeträge existieren für Abfindungen inzwischen nicht mehr. Aber es gibt die Möglichkeit der sogenannten Fünftelregelung, da die Besteuerung der Abfindung in einem Jahr zu einer enormen Steuerlast führen würde. Das heißt, dass die Steuer so berechnet wird, als sei die Abfindung über fünf Jahre verteilt gezahlt worden. Das senkt die Steuerlast. Allerdings nimmt der steuermäßigende Effekt mit dem Jahreseinkommen ab. Wer als Alleinstehender ein Jahreseinkommen von 55.000 EUR oder mehr hat (bei Verheirateten 110.000 EUR und mehr), hat praktisch keine Steuervorteile mehr.

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Wie wird die Abfindung besteuert?

Unser Abfindungsrechner berechnet die Steuern, die auf Abfindungen anfallen und berücksichtigt dabei auch Lohnersatzleistungen. Abfindungen sind zwar nicht sozialabgabenpflichtig, aber voll steuerpflichtig. Wird die Abfindung als Einmalzahlung ausgezahlt, ist diese Zahlung grundsätzlich als sonstiger Bezug zu versteuern. Es besteht allerdings unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, eine Steuerermäßigung in Form der sogenannten Fünftelregelung (Tarifermäßigung) zu erreichen. Die Anwendung der Tarifermäßigung hängt von folgenden Voraussetzungen ab:

  • Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses geht nicht vom Arbeitnehmer aus, sondern auf Veranlassung eines Dritten, i. d. R. des Arbeitgebers.
  • Die Abfindung muss eine Entschädigung im Sinne des § 24 Nr. 1 EStG (Einkommensteuergesetz) sein.
  • Es muss eine sogenannte Zusammenballung von Einkünften in einem Jahr vorliegen.
  • Es muss sich bei der Abfindung um außerordentliche Einkünfte handeln

Wann ist die Abfindung eine Entschädigung?

Eine Entschädigung liegt dann vor, wenn die Abfindung als Folge einer vorzeitigen Beendigung des Dienstverhältnisses gezahlt wird. Dies gilt insbesondere dann, wenn sie bereits vorher vertraglich vereinbart wurde. Weitere Voraussetzungen sind:

  • Dass anstelle der geschuldeten Leistung (z. B. Lohn) eine andere tritt. Diese andere Leistung muss auf einem anderen, eigenständigen Rechtsgrund beruhen, z. B. der Auflösungsvereinbarung.
  • Die Abfindung darf keine Abgeltung bereits erworbener Ansprüche sein (also z.B. nicht bezahlter Arbeitslohn).

Neben der Hauptentschädigung sind geringe Zusatzleistungen möglich, die aus sozialer Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit in späteren Jahren geleistet werden. Derartige ergänzende Zusatzleistungen können beispielsweise die befristete Weiternutzung des Dienstwagens, die befristete Übernahme von Versicherungsbeiträgen oder befristete Zahlungen für die Altersvorsorge sein.

Kriterien für die Zusammenballung von Einkünften

Eine Zusammenballung von Einkünften liegt vor, wenn die anlässlich der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses gezahlte Entschädigung höher ist als der durch die Auflösung des Arbeitsverhältnisses entgehende Lohn. Die Voraussetzung ist nicht gegeben, wenn die Entschädigung nicht mit regulären Einkünften zusammentrifft und sich die Einkünfte trotz Entschädigung absenken.

Verglichen werden die real verwirklichten Einkünfte mit den fiktiven Einkünften, die erzielt worden wären, wenn das Arbeitsverhältnis nicht beendet worden wäre. Hierbei werden auch Erkrankungen und darauf beruhende niedrigere Einkünfte berücksichtigt.

Wichtig: Beziehen Sie weitere Einnahmen, die Sie bei Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht bezogen hätten (z. B. aus einem neuen Arbeitsverhältnis) sind diese in die Berechnung der Zusammenballung einzubeziehen.

Die Anwendung der begünstigten Tarifermäßigung setzt außerdem voraus, dass die Entschädigungsleistungen zusammengeballt in einem Veranlagungszeitraum zufließen (dass also nicht beispielsweise mehrere Teilbeträge in unterschiedlichen Jahren gezahlt werden). Ausnahme: die abweichenden Teilbeträge betragen insgesamt max. 5 % der Hauptleistung.

Praxis-Beispiel: Ihr Arbeitsverhältnis wurde zum 1.12.2023 durch den Arbeitgeber beendet. Ihnen steht vertraglich eine Abfindung i. H. v. 50.000 EUR zu. Davon wird Ihnen vertragsgemäß ein Teilbetrag von a) 5.000 EUR bzw. b) 2.500 EUR im Dezember 2023 ausbezahlt. Die Hauptzahlung von a) 45.000 EUR bzw. b) 47.500 EUR erfolgt im Februar 2024.
Im Fall a) müssen die Teilzahlung im Jahr 2023 und die Hauptzahlung im Jahr 2024 jeweils voll versteuert werden. Eine Tarifermäßigung in Form der Fünftelregelung ist für keine der beiden Zahlungen möglich, weil die Teilzahlung genau 10 % und damit nicht weniger als 10 % der Hauptleistung ausmacht und damit keine Zusammenballung mehr anzunehmen ist.
Im Fall b) beträgt die Teilzahlung 5 %. Damit kann die Hauptleistung 2024 auf Antrag ermäßigt besteuert werden. Die Teilzahlung im Jahr 2023 ist in voller Höhe zu versteuern.

Nicht schädlich ist es dagegen, wenn zusätzliche Entschädigungsleistungen (im Rahmen einer einheitlichen Entschädigung) aus Gründen der sozialen Fürsorge für eine Übergangszeit in späteren Kalenderjahren gewährt werden. 

Beispiele für solche Zusatzleistungen können sein:

  • Sie dürfen einen Firmenwagen befristet weiter nutzen
  • Ihr:e ehemalige:r Arbeitgeber:in übernimmt die Kosten einer Outplacement-Beratung
  • Befristete Übernahme von Versicherungsbeiträgen durch den:die ehemaligen Arbeitgeber:in
  • Zahlung einer Jubiläumszuwendung nach dem Ausscheiden, die Sie bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnises erhalten hätten
  • Leistungen, die der Altersvorsorge dienen

Hinweis: Werden aus Gründen der sozialen Fürsorge Leistungen aber in einem späteren Kalenderjahr als die zusammengeballten Leistungen gezahlt, fallen sie nicht unter die Fünftelregelung.

Ebenfalls unschädlich ist es, wenn die Auflösungsvereinbarung von einem einmaligen Zufluss ausgeht, aber wegen versehentlich zu niedriger Auszahlung eine spätere Restzahlung erfolgt. Unschädlich ist auch eine Nachzahlung nach einem Rechtsstreit mit dem Arbeitgeber.

Achtung: Im Falle einer Nachzahlung müssen Sie einen Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 AO bei Ihrem Finanzamt stellen. Die Nachzahlung wird dann rückwirkend im Jahr der Hauptleistung begünstigt mitversteuert.

So berechnen Sie die Einkommensteuer mit der Fünftelregelung

Bei der Fünftelregelung werden die begünstigten Einkünfte rechnerisch auf 5 Jahre verteilt. Das führt dazu, dass die Steuerlast erheblich geringer ausfällt, als wenn Sie die Abfindung als Einkommen innerhalb eines Jahres versteuern müssten. Das Finanzamt geht bei der Fünftelregelung folgendermaßen vor:

  • Die Einkommensteuer für das zu versteuernde Einkommen - ohne die außerordentlichen Einkünfte - wird ermittelt (= Steuerbetrag 1).
  • Anschließend wird dieses zu versteuernde Einkommen um ein Fünftel der außerordentlichen Einkünfte erhöht und auch daraus die Steuer berechnet (= Steuerbetrag 2).
  • Der Differenzbetrag der beiden Steuerbeträge (1 und 2) ist zu verfünffachen und stellt die ermäßigte Einkommensteuer für die Abfindung dar (= Steuerbetrag 3).
  • Die festzusetzende Steuer für das Jahr der Abfindung ergibt sich aus der Summe der Steuerbeträge 1 und 3.

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Rüdiger Happe

Rüdiger Happe ist diplomierter Finanzwirt und Steuerberater.

Er unterrichtet an der IHK und bei führenden Weiterbildungsinstituten.

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